Stellungnahme zum VHS-Pressebericht über die Tagung der Steuerungsgruppe „Zukunftskonferenz Bildung“

War das nötig, Frau Modder und Frau Janssen-Kucz?

Vor einigen Wochen fand in der Haneburg eine Tagung der Steuerungsgruppe „Zukunftskonferenz Bildung“ mit den Landtagsabgeordneten Hanne Modder und Meta Janssen-Kucz statt. Die Steuerungsgruppe wollte ihnen das Konzept für bessere Schulen vorstellen und mit ihnen darüber diskutieren. Dazu hatte sie die folgenden 14 Eckpunkte aufgestellt:

  1. Ziel: Selbststeuerung, progressiv durch Übergabe von Entscheidungen über Projekte, Varianten
    der Materialien, Methoden usw.
  2. Ziel: Orientierung an der Lebenswirklichkeit,

Regionalisierung der Projekt- / Unterrichtsinhalte über enge Kooperation mit Anbietern, Personen, Einrichtungen, Lernorten ggf. mit Unterstützung einer Bildungsagentur, die vernetzt, ergänzende Projekte leitet.

3.     Ziel: Gelebte Vielfalt als Chance

Vielfalt der Lernzugänge, Talente, Kulturen beachten.

4.     Ziel: alle Kompetenzbereiche beachten

d.h. Kompetenzen Wissen, Urteilen und Handeln fördern.

5.     Ziel: Demokratie fördern

durch Beteiligung aller am Büdungsprozess Beteiligten (Eltern, Schüler, Begleiter…), durch Auseinandersetzung mit kontroversen Meinungen, durch Suche nach einer bestmöglichen Lösung.

6.     Ziel: Mut entwickeln

um Herausforderungen anzunehmen und zu gestalten

7.     Ziel: hohes Maß an Sozialkompetenz entwickeln durch Verankerung als explizites Ziel mit Bereitstellung von Zeitressourcen und professioneller Begleitung.

8.     Ziel: Vermittlung der Einsicht in lebenslange:, Lernen durch Vernetzung mit außerschulischen Bildungseinrichtungen und Lernenden (Nutzung derer Expertise, gegenseitiges Lernen, Verbindung von Lebenswelten / Erfahrungswissen, Transfer des schulischen Wissens auf die Alltagspraxis)

9.     Ziel: Entwicklung der Potenziale der Lernenden durch individualisierte Begleitung der Lernprozesse, durch Einzel- und Gruppenförderung, durch Lernbegleiter.

10.     Ziel: Entwicklung von Projektkompetenz

als höchste Fähigkeit zur Problemlösung in komplexen Situationen im persönlichen und gesellschaftlichen Bereich.

11.     Ziel: Hohe Leistungen im individuellen, beruflichen und gesellschaftlichen Maßstab durch Erfolgserlebnis, Ermutigung, Förderung und Anerkennung, Motivationsstärkung

  1. Ziel: Erfüllung der Kompetenzziele der Kerncurricula der Fächer
  2. Ziel: Erhöhung der Chancen des Zugangs zu angemessene Berufen durch Portfolio und Kompetenzpässe
  3. Ziel: Lust am Lernen für Schüler, Eltern und Lernbegleiter

Die Ziele sind es wert, diskutiert zu werden und die Teilnehmerinnen hätten nach Wegen der Umsetzung suchen können. Ob dies auch geschehen ist, wissen wir nicht. Durch die Pressemitteilung der VHS traten massive Vorurteile gegenüber Lehrkräften in den Vordergrund. Teilnehmerinnen wurden mit Äußerungen wiedergegeben wie

Schlechte Lehrer rausschmeißen (Coach Udo Lindner),

30% der Lehrer taugen nichts (Coach Udo Lindner)

Nur 10% der Lehrkräfte sind engagiert bzw. für wirkliche Veränderungen (Janssen-Kucz)

Es sei oft erschreckend, wer da vor der Klasse stehe (Modder)

Schule sei ein schwerfälliger Tanker und man könne nicht 90% einfach rausschmeißen (J-K)

Der Beamtenstatus für Lehrkräfte sollte abgeschafft werden. (Janssen-Kucz)

80% der Lehrkräfte haben Angst vor Schülern (Klaus-Dieter Zoschke)

Diese Äußerungen sind aus zweierlei Gründen eine Katastrophe. Erstens wird den Zielen der Konferenz ein Bärendienst erwiesen, weil nicht mehr über sie diskutiert wird sondern nur noch über die Lehrerinnenbeschimpfungen mancher Teilnehmerinnen. Zweitens muss man fragen, welchen Beitrag zum Bildungskonzept wollten die Teilnehmerinnen damit eigentlich leisten.

Dass unter den Zitierten auch zwei Landtagsabgeordnete sind, macht die Sache nicht besser, dass sie sich bisher nicht oder nur unwesentlich von den ihnen zugeschriebenen Äußerungen distanziert haben, noch weniger.

Manche der gemachten Äußerungen sind so unqualifiziert, dass wir darauf hier nicht eingehen wollen. Aber die Aussage, dass in Schulen keine Veränderungen stattfinden bzw. von Lehrkräften verhindert werden, ist so weit von der Wirklichkeit entfernt, wie der Mond von der Erde.

In vielen Teilen des Landes sind mit großem Einsatz der Lehrkräfte Gesamtschulen entstanden, in unserem Kreisgebiet in Moormerland. Auch bei der Umwandlung oder Zusammenlegung von Haupt-und Realschulen in bzw. zu Oberschulen waren Kolleginnen mit großem Engagement dabei. In vielen Grundschulkollegien wird intensiv an der schwierigen Umsetzung der Inklusion gearbeitet. Die Liste ließe sich fortsetzen. Seit 30 Jahren wird am Bildungswesen in unserer vom Bildungsföderalismus zerfetzten Schullandschaft „herumreformiert“, wobei viele Reformen als Muster ohne Wert den Lernort Schule nicht weitergebracht haben. Die mehr als 600 000 Lehrer mussten sich jährlich mit „Jahrhundertreformen“ auseinandersetzen, oft wissend, dass die jeweils laufende Reform keinen wirklichen Sinn macht. Dass es hier oft Kritik und Widerstand von der GEW und Kollegien gegeben hat, ist kein Wunder. Da sind nicht die „Bremser“ rückschrittlich, sondern die Macher der Kultusministerkonferenz.

Auch werden gern Meldungen kolportiert, die dann wie auf dieser Konferenz zu neuen Forderungen generiert werden. Beispiele? Bitte:

  1. Forderung nach Selbststeuerung: Steht in jedem Schulgesetz, darum bemühen sich die Kolleginnen und Kollegen, werden dabei aber oft konterkariert durch komplexe Rechtslagen, widersprüchliche Erlasse, zu große Klassen, zu wenig Unterstützung, G8-Schulen, Leistungsdruck durch alberne Zentraltests usw.
  2. Forderung nach „Orientierung an der Lebenswirklichkeit“. Ist das wirklich neu? Schauen wir zurück. Die alten AWT-Richtlinien für Förder-, Haupt- und Realschulen schrieben das seit den 70er Jahren vor. Mit Erkundungen und Praktika, Technik- und Werkunterricht, andere praktische Fächer wurde dies oft kongenial umgesetzt. Jetzt versucht man durch Outsourcing den Allgemeinbildungsauftrag der Schulen zurückzufahren (Praxistag usw.). Mehr als 80 % der Schülerinnen und Schüler der genannten Schulen haben auch in Krisenzeiten direkt den Sprung in das Berufsleben geschafft. Der Rest oft durch Hilfen. Im Augenblick glänzt die Bundesrepublik durch die sehr gute Azubi-Situation. Nicht ohne Grund. Natürlich orientiert sich die allgemeinbildende Schule an der Wirklichkeit. Das ist ihr Erziehungsauftrag. (…)
  3. Gelebte Vielfalt. Mit der Inklusion soll ja gerade das umgesetzt werden. Gefährden Landesregierungen (egal, ob schwarz-gelb oder rot-grün) durch unzureichende Unterstützung dieses Ziel nicht gerade? Natürlich kann man diskutieren, wie so ein Ziel in Kooperation mit Vereinen und Trägern vor Ort, mit Netzwerken mit Firmen und Gewerkschaften umgesetzt werden kann, Mit den Ganztagsschulen ist hier ja auch schon viel passiert. Und die „Öffnung der Schule“ setzt eben auch voraus, dass es hier die nötige Unterstützung „von oben“ gibt.
  4. Zu den anderen Forderungen kann man zu jedem Punkt ausführlich Stellung beziehen. Hier nur zusammenfassend: Eine allgemein bildende Schule kann keine reformpädagogische Wundertüte sein. Es gibt Gegenbeispiele wie die Bodenseeschule in Friedrichshafen. Doch so eine Schule konnte nur, das zeigte der Vortrag durch den Schulleiter und Diskussion bei den Ostfriesischen Hochschultagen, nur unter ganz besonderen Bedingungen gelingen.

Viele Lehrkräfte haben Hanne Modder, die SPD bzw. Meta Janssen-Kucz und die Grünen gewählt. Sie und auch alle andere Lehrkräfte können von ihnen erwarten, dass sie jetzt nicht abtauchen, sondern zu ihren Äußerungen öffentlich Stellung beziehen und das einzig Richtige tun, sich davon distanzieren und sie richtig stellen

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