Reformen wollen wir mitgestalten, nicht bezahlen

„Klassenfahrten gehören zu den schönsten Erlebnissen während der Schulzeit. Sie sollten niemandem verwehrt bleiben.“ Mit diesen Worten wird Kultusministerin Frauke Heiligenstadt in einer Pressemitteilung des MK zitiert.

Das ist die eine Seite der Medaille. Für Lehrkräfte sind es meist auch sehr anstrengende Tage. Ein Arbeitstag auf Klassenfahrt beginnt meist um 7.00 Uhr und endet oft erst gegen Mitternacht. Gehen wir von einem normalen Arbeitstag mit 8 Stunden aus und von seinem tatsächlichen Ende um 23.00 Uhr, bleiben 8 Stunden unbezahlte Mehrarbeit. In der Woche summiert sich das auf 30-40 Stunden. Dafür gibt es bisher einen Zeitausgleich von 4 Unterrichtsstunden, zukünftig soll es eine mehr sein.

Frau Heiligenstadt spricht in diesem Zusammenhang von einem großen Schritt, den sie auf die Lehrerinnen und Lehrer zugegangen sei. Aber ihr gehen hier doch ein wenig die Maßstäbe verloren. Wenn eine zusätzliche Entlastung von 1 Stunde für die Arbeitsbelastung während einer Klassenfahrt ein großer Schritt ist, was ist dann die zusätzliche, wöchentliche Belastung für Gymnasiallehrkräfte um 1 Unterrichtsstunde? Nach Ansicht der Landesregierung ein moderater, also ein eher maßvoller Beitrag. So rechtfertigte sie 2013 jedenfalls die Erhöhung.

Es ist umgekehrt. Die zusätzliche Stunde bei Klassenfahrten ist ein längst überfälliger, kleiner Schritt, dagegen sind die höheren Unterrichtsverpflichtungen für Lehrkräfte an (beruflichen) Gymnasien und die Rücknahme der vorgesehenen Erhöhung der Altersermäßigung große Belastungen.

Neben der zusätzlichen Stunde sollen die Obergrenzen für die Übernachtungskosten und für Nebenkosten deutlich erhöht werden. Es sind notwendige und richtige Schritte. Aber der Anspruch auf volle Erstattung nach dem Reisekostenrecht ist damit noch längst nicht erfüllt, wie auch der GEW-Landesverband in seiner Stellungnahme betont. Dabei gäbe es doch zwei Zauberwörter: Notwendigkeit und Nachweis. Mit anderen Worten, alle Reisekosten, die notwendig und nachgewiesen sind, werden erstattet.

Hintergrund des Konfliktes ist der Klassenfahrt-Boykott an Gymnasien, unter dem viele Schülerinnen und Schüler zu leiden haben. Andererseits wissen wir, wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Und viele wirksame Möglichkeiten dazu haben Lehrerinnen und Lehrer nicht. Die rot-grüne Koalition hat 2013 viele Qualitätsverbesserungen in Schule und Ausbildung in die Wege geleitet, die wir gerne mitgestalten wollen. Sie hat damals auch beschlossen, dass ein Teil der niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrer dies mit zu bezahlen hätten. Dagegen werden wir uns auch weiterhin wehren.

Hans-Otto Saatkamp